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PontaDelgada/ Sao Miguel/ Azores 28 °C 24 °C NE 10-20 Kn

Wale gesucht, Delfine gefunden

Mischa schreibt:

Gleich nach dem Frühstück machen wir uns auf, endlich die Wale zu treffen.
Gestern hat es nicht geklappt, die Whale Watching Tour hatten wir ja um eine knappe halbe Stunde verpasst.
Doch heute nehmen wir das Glück selbst in die Hand: Erstens sind wir dadurch unabhängig von den beiden teuren Touren der Insel-Veranstalter, die pro Kopf 45,- Euro nehmen, und zweitens können wir so selbst bestimmen, wie lange wir bei den Walen bleiben und wie weit wir ihnen folgen – voraus gesetzt, wir finden sie.
Unser Plan ist einfach, denn wir wissen, wann die Whale Watcher auf’s Meer fahren, also müssen wir ihnen nur folgen und können dann bequem von der Bacchus aus unsere eigene Tour starten. Die erste Tour startet bereits um 9.00 Uhr, doch wir brauchen allein zwei bis drei Stunden zum Ausgangspunkt. Daher beschließen wir, uns an die zweite Tour, die um 13.00 Uhr beginnt, dran zu hängen. Soweit die Idee…
Wir verlassen den Porto Ponto Delgada in Richtung Villa Franca Do Campo immer entlang der Küste.

Das Meer ist ruhig und die Wellen sind niedrig – ein Kinderspiel. Allerdings hat der Atlantik noch ein weiteres Gesicht, das er später noch offenbaren wird.
Wir folgen unserer Route und spähen ab und zu durch’s Fernrohr, neugierig, ob wir nicht schon eine der begehrten Walflunken entdecken. Wir fischen jedoch zunächst im Trüben.
Plötzlich wundern wir uns über große Schwärme von Möwen, die teils überm Meer schweben und teils auf den Wellen treiben. Die See wird von Minute zu Minute rauer, wir entfernen uns stetig von der Küste. Wir wollen wissen, was da los ist: Sind es große Fischschwärme, die die eleganten Vögel locken oder welchem Reiz sind sie alle erlegen? Und – viel wichtiger – locken die vermuteten Fische nicht eventuell auch große Meeressäuger an? Letzteres würde uns ja völlig unabhängig von den Wal-Touren machen, denn wir hätten eine eigene Fährte entdeckt und diese, sei sie auch nur vermutet, nehmen wir sofort auf und setzen die Segel in Richtung Möwen.
Dort angekommen erleben wir ein atemberaubendes Naturschauspiel: Die Möwen sind nicht die einzigen aktiven Fischer – hier gibt es außerdem eine riesige Delfin-Familie, die sich uns spontan zur Schau stellt.

Die flinken Delfine scheuen keine Mühen, uns ihre schönsten Seiten zu zeigen und hechten flink neben der Bacchus her. Sie schlagen Bögen, schwimmen einzeln, in Formation und springen kameratauglich durch die Luft, so schön, dass es uns die Sprache verschlägt, Anne abwechselnd quiekt und Beifall klatscht, Angelika und ich nur noch im Kreis grinsen und
Johannes mit stoischer Ruhe mit dem Fotoapparat drauf hält.
So etwas hat noch keiner von uns erlebt! Über eine halbe Stunde haben wir hunderte von den quirligen Freunden an unserer Seite, die uns weiter zu unserem großen Ziel eskortieren, denn inzwischen sind die Walpilger mit ihren Motorbooten gestartet und wir folgen ihnen.
Als uns die Delfine verlassen, überfällt mich die Seekrankheit, die sich zwar schon angekündigt hatte, mich nun aber innerhalb weniger Minuten lethargisch werden lässt, so dass es mir schnell egal wird, ob wir nun einen Wal sehen oder nicht. Eigentlich will ich nur wieder festen Boden unter den Füßen.
Johannes und Angelika haben als erfahrene Segler keine Probleme mit dem Wellengang, Anne geht es wohl so lala, doch sie ist zäh und lässt sich nichts anmerken.

Ich nehme Angelikas Angebot an und esse nacheinander zwei Superpep-Kaugummis gegen Seekrankheit, nachdem schon die Salzbretzel nur kurzfristig geholfen haben. Die Kaugummis haben es in sich, sie betäuben nicht nur Mund und Magen, sondern auch den Verstand. Ich fühle mich dümmer und dümmer und werde langsam müde und apathisch.
Obwohl wir zielstrebig den Motorbooten folgen, bleibt das Erfolgserlebnis aus – es ist weit und breit kein Potwal (Sperm Whale) in Sicht. Durch’s Fernrohr wird uns klar, dass auch die zahlende Kundschaft bisher leer ausgegangen ist. Sie haben zwar auch einige Delfine gesehen, doch nicht im Ansatz so viele wie wir. Darüber hinaus bleiben die Motorboote auch immer nur an einem festen Punkt stehen und beobachten dann stur von diesem Punkt aus – wir waren mittendrin.
Ich habe mittlerweile einen anschwellenden Brechreiz und beschließe, mich flach hinzulegen und mir ein Handtuch komplett über Körper und Gesicht zu ziehen, ich verabschiede mich vom Tagesgeschehen, am Rande habe ich wohl gehört, dass die Waltouristen auf dem Heimweg sind. Auch wir begeben uns auf den Rückweg.
Als ich erwache, geht es mir besser. Der ersehnte Hafen ist in Sichtweite und es geht mir wieder gut. Die Wellen sind nicht mehr der Rede wert und ich merke, dass ich mich auf unser Abendessen freue. Ein Gedanke, der mich noch vor einer Stunde richtig angewidert hat.
Nach einem tollen Manöver von Skipper und Cerw kocht Angelika uns ein leckeres Abendessen und ein erfüllter Tag lässt uns zwar ohne Wale, aber dafür mit bilderbuchhaften Delfinen glücklich und zufrieden zurück.